Leben mit einem Kind mit der Superkraft ADHS: Nimm die Herausforderung an und fördere dein Kind optimal
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Inhalt
Eltern von Kindern mit ADHS fühlen sich häufig allein gelassen und sind überfordert und mit einem Stigma versehen. Der Balanceakt zwischen übermütigem Wildfangkind, Beruf, Familie und Beziehung ist hart und viele haben das Gefühl zu scheitern. Dies Buch befasst sich mit dem Ohnmachtsgefühl der Hilflosigkeit und versucht Ratgeber zu sein, damit Eltern mit ihren Kindern einen Weg daraus finden oder besser noch, gar nicht erst hinein gelangen. Es soll den Eltern Hilfe bieten und vor allem ihren Blick auf ihr Kind verändern, denn ADHS muss nicht nur eine Belastung sein, es kann eine Superkraft sein. Es hat nämlich durchaus auch Vorteile.
Die Autorin
Das Buch wurde von Kristina Fischer herausgebracht. Dies ist allerdings nur ein Pseudonym. In Wahrheit stecken vier Mütter, die täglich mit dem Thema ADHS konfrontiert sind und jahrelang Erfahrung mit dem Thema gesammelt haben, dahinter. Alle vier haben entweder beruflich oder privat einen Bezug zu diesem Thema. Es handelt sich dabei um eine diplomierte Psychologin, zwei Erzieherinnen und eine Physiotherapeutin, die eine wissenschaftliche Arbeit zu dem Thema ADHS geschrieben hat. Dies teilt einem das Buch jedoch überhaupt nicht mit. Ich hätte es in einem Vorwort als gut empfunden zu erfahren.
Meine Meinung
Das Buch lässt sich recht flott durchlesen und bedient sich einer einfachen Sprache. Es wirft nicht mit Fachbegriffen um sich und ist daher für jeden leicht zugänglich. Allerdings bedient es sich leider auch immer wieder dem gleichen Worten, sodass ich nach relativ kurzer Zeit von den ständig wiederkehrenden Begriffen „Kind mit ADHS“, „Kinder mit ADHS“ und „ADHS-Kind“ genervt war.
Bei der Beurteilung der Ratschläge in diesem Buch, habe ich mich mit zwei weiteren Freundinnen, die ebenfalls persönliche Erfahrung mit dem Thema haben, ausführlich beraten und meine Sichtweise mit der ihren verglichen.
Als erstes befasst sich das Buch damit, was ADHS eigentlich ist, wobei es eher auf die Symptomatik eingeht. Statt der Erklärung über die Funktionsstörung der Botenstoffe im Gehirn, wird es einfach eine komplexe Entwicklungsverzögerung des Selbstmanagement-Systems im Gehirn genannt.
Nach dem Part geht es direkt in die Ratschläge über, die sich dann über verschiedene Lebensbereiche und Situationen erstrecken. Dabei wird jedoch selten ein genaues Alter von den Kindern für die, die Ratschläge gedacht sind, genannt. Auf der einen Seite empfiehlt das Buch Verständnis und versucht den Blick der Eltern auf die „Krankheit“ und das „das ADHS Kind will das nicht absichtlich machen“ lenken und will vermitteln, dass das Kind Hilfe und Verständnis braucht. Auf der anderen Seite wirbt es mit Ratschlägen, die einem die Fußnägel hochrollen lassen, weil sie fern jeglicher Bindungstheorie stehen und im Widerspruch zu vorherigen Ratschlägen. Man soll das Kind verstehen, es aber andererseits zeitnah strafen. „Die „Strafe“ folgt auf dem Fuße“ (Floskeln dieser Art kamen häufiger) und meint damit Konsequenzen. Und empfiehlt danach, dass wenn das ADHS Kind dem kleinerem Geschwisterchen an den Haaren zog bis es einen Weinkrampf bekam, dass man das ADHS Kind auf sein Zimmer schicken soll und es erst wieder rauskommen dürfe, wenn ihm klar ist, was es getan hat und dass dies nicht in Ordnung war. Mal abgesehen davon, dass dieser Absatz sogar doppelt im Buch abgedruckt wurde (Druckfehler?), bin ich wirklich entsetzt gewesen. Wenn Eltern dies lesen und für bare Münze nehmen und einen Fünfjährigen ins Zimmer schicken, weil er dem Dreijährigem Kind weh tat, dann aber gute Nacht. Das kann ein Fünfjähriger nicht reflektieren. Und was zeigen wir dem weggeschickten Kind damit? Dass wir es nur lieben, wenn es sich richtig verhält. Dass es weggeschickt wird und allein klar kommen soll, sich vielleicht sogar allein beruhigen soll. Nein, das kann kein guter Ratschlag sein – egal in welchem Alter. Auch wenn die Autoren im Absatz danach noch sagen, dass man nach einer halben Stunde nachgehen soll und es mit dem Kind besprechen und ihm zeigen soll, dass man es immer noch liebt, finde ich die Grundhaltung am Anfang nicht in Ordnung. Zuckerbrot und Peitsche kam mir beim Lesen in den Sinn. Es erscheint mir wie Erziehung alter Zeit. An anderen Stellen empfand ich das Buch eher bindungsorientiert, womit bei mir aber ein Ungleichgewicht beim Lesen entstand. Ich schreib dies dem Mix aus vier Autorinnen zu.
Durchaus gefällt mir der Versuch den Blick der Eltern ins Positive zu drehen und ihnen das Gefühl der Hilflosigkeit nehmen zu wollen. Doch diese Absolutheit in der das Buch geschrieben wurde, die grundsätzlich davon ausgeht, dass man überfordert und hilflos sei, stieß mir übel auf, denn ich selbst fühlte mich nie so und hatte das Gefühl, dass ein Klischeeblick mit einem Klischeeblick versucht wird zu bekämpfen.
Natürlich kann kein Buch über ADHS alles abdecken, natürlich gibt es keinen starren Regelfahrplan, doch der Tonfall in dem das Buch geschrieben ist, vermittelt häufig eine Starrheit, dass dies der Weg sei, selbst wenn hier und da geschrieben steht, dass es individuell zu betrachten sei.
Dennoch, das Buch hat auch viel Gutes. Viele Ratschläge – vor allem die, es im Endeffekt mal locker zu nehmen – sprachen mich an. Dass man sein Kind nicht „zwingen soll“ Dinge zu tun, die vielleicht gar nicht zu ihm passen. Dass man sein Kind freundlich behandeln soll und es wirklich sehen soll und dass man auch auf sich achten soll und dass Harmonie in der Familie entspannt und Humor es alles leichter macht, sind gut und richtig.
Das Buch hätte für meinen Geschmack noch ein Kapitel über Doppeldiagnosen benötigt. Viele der „Superkräfte von ADHS“ sind eben nicht auf alle ADHS Kinder passend. Vor allem dann nicht, wenn Doppeldiagnosen vorliegen, geraten viele Empfehlungen im Buch sehr heftig ins Wanken. Das wäre ein komplettes Kapitel wert gewesen.
Mir selbst brachte das Buch keine neuen Aspekte, da ich bereits viel zum Thema gelesen hatte. Aufgrund mancher Empfehlungen kann ich das Buch nur eingeschränkt an Eltern empfehlen, aber wenn dann vor allen denen, die wirklich in einer Negativspirale stecken und ihr Kind nur noch als Übel sehen. Wobei ich diese dann noch lieber zu einer offiziellen Beratungsstelle schicken würde.