Biografien

Sinnsucht – Johannes Nathschläger

Inhalt:

Mit 13 trinkt Johannes Nathschläger das erste Mal Alkohol. Mit 15 gehört der Rausch zu seinem Leben. Mit 19 verzichtet er erstmals für einen Monat auf den Stoff. Er entdeckt den Sport für sich und nimmt an Wettkämpfen teil. Immer wieder bleibt er für Wochen oder Monate nüchtern. Doch er ist abhängiger denn je und steht kurz davor, sein soziales Leben und seine Gesundheit endgültig zu ruinieren. Panikattacken bringen ihn fast um den Verstand und er droht in Depressionen zu versinken. Ihn quält die Frage, welchen Sinn das Leben haben könnte, einen Sinn, der jenes Vakuum in ihm ausfüllt, das er immer dann spürt, wenn er ohne Alkohol auskommen muss. Eines Tages entdeckt er die Lehren des Arztes und Psychiaters Viktor Frankl für sich und nimmt den längsten und schwierigsten Weg seines Lebens in Angriff: den in die Nüchternheit.

Meine Meinung:

Johannes trinkt. Und das schon in einem Alter wo viele Eltern nicht mal ahnen, dass ihre Kinder schon Kontakt zu Alkohol haben. Er trinkt meist nur Bier aber schon bald in Mengen die nicht normal sind. Normal und  Bier – 2 Begriffe die nicht zusammen gehören sollten. Kinder und Alkohol – “Komasaufen” erst heute ist es ein Begriff. Als Johannes Teenager war, da gab es diesen Begriff noch nicht. Getrunken wurde damals jedoch auch schon. Jugendliche Alkoholiker ja es gibt sie. Johannes spricht offen über seine Alkoholsucht. Er berichtet ehrlich über den schmalen Grad – dem Balanceakt – zwischen Erfolg und Absturz. Er berichtet wie er sich von Trinkpause zu Trinkpause hangelte, wie er immer einen Meter vor dem Abgrund stand. Die Spirale der Sucht wird in seinem Buch deutlich und doch ganz abgestürzt war er nie. Er berichtet von einem Leben als jugendlicher Alkoholiker und wie er als junger Erwachsener – immer noch der Alkoholsucht verfallen – doch gesellschaftsfähig blieb. Er berichtet aber auch darüber wie schwer es ist den Schein der Gesellschaftsfähigkeit zu wahren. Und auch wie er doch immer mehr in den Strudel der Sucht gezogen wird. Dabei geht Johannes nicht nur auf die Suchtauswirkungen körperlicher Natur ein sondern berichtet auch über Depressionen, innere Zerrissenheit, die Suche nach dem Sinn des Lebens, Panikattacken, gesundheitlichen Problemen und seiner Angst. Auch berichtet er davon wie er immer wieder neue Dinge ausprobiert sei es verschiedene Jobs oder auch Sport um die Leere die durch die Abstinenz vom Alkohol in ihm ist, zu fällen. Er schaffte den Absprung vom Alkohol und lernte auch ohne Alkohol Glücksgefühle zu erleben.

Dies Buch ist eine ehrliche und vor allem offene Biografie. Johannes zeigt, dass hinter der Fassade gut funktionierender Menschen, guten Angestellten, dem Nachbarn, dem Freund, dem Schwiegersohn doch ein Abgrund einer Alkoholsucht sein kann. Freunde, Nachbarn, Familie merken es oft nicht oder sehr spät oder aber sie wissen nicht wie damit umgehen.

Beim Lesen fragte ich mich desöfteren wieso niemand eingriff, dass ein Alkoholiker mit Kindern arbeitet. Auf der anderen Seite verstand ich immer mehr, dass Johannes ein typisch gesellschaftlich geduldeter Alkoholiker war. Wer das Wort Alkoholiker hört denkt automatisch an Penner, die vollgekotzt auf der Straße liegen. Meist Männer die in Kneipen einen übern Durst trinken und dort versacken und morgens sich schon den Fusel rein gießen. In Wirklichkeit sind das jedoch die extremen Ausnahmen. Die meisten Alkoholiker sind Menschen, denen man es nicht ansieht. Vor allen in den ersten Jahren der Alkoholsucht leben diese in ihrer Sucht fast völlig unentdeckt. Ich selbst bin mit einer Alkoholikerin groß geworden. Eine Frau, die hin und wieder abstürzte, aber ansonsten ihren Pegel hielt. Sie ging arbeiten, hatte eine Wohnung, lebte in einer Beziehung aber dann wurde sie mit 30 kmh auf der Autobahn aufgegriffen. Dann war sie wieder trocken und eines Tages schaute man genauer und fand 80 leere Woodka Flaschen versteckt in ihrer Wohnung – sogar im Spülkasten. Auch durch sie weiß ich dass viele dieser noch gesellschaftsfähigen Alkoholiker immer wieder Phasen von Trockenheit und Suff durchleben.

Die Geschichte von Johannes ist keine Anleitung wie man nüchtern wird sondern die Lebensgeschichte eines jungen Mannes, der den Alkohol überwunden hat und ein Einblick in die Gedanken und Gefühlswelt eines Alkoholikers gibt.

Das Buch bekommt von mir ein: definitiv lesenswert.

Für mich war es merkwürdig ein Buch zu lesen dessen Autor man persönlich kennt – und sei es auch nur aus einem Urlaub.

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Autor

42 Jahre, verheiratet, Zwillingsmama, Hannoveranerin und begeisterte Leseratte.

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