Drama

Tunnel – Grit Krüger

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Inhalt

Mascha hat so wenig Geld, dass es nicht für die Reparatur der Heizung reicht. Sie ist erdrückt von Amtsgängen und dem Ausgeliefert sein des „arm seins“. Sie ist die Mutter von Tinka, die auch „Mücke“ genannt wird. Die Kleine versteht schon früh, die Folgen von fehlendem Geld. Ein Job im Pflegeheim spült etwas Geld in die Tasche der kleinen Mini-Familie, die dadurch den Winter im Warmen verbringen kann, da sie sich kurzerhand ins Pflegeheim einquartieren. Doch dort tritt Mascha eine Realitätsflucht der besonderen Art an.

Das Cover

Das Cover hat mir gut gefallen, aber das Cover ist gefährlich. Ich nahm das Buch mit zum Arzt und hatte es in meiner Handtasche. Als ich hineingriff, um es herauszuholen, glitt der ausgeschnittene Kreis um das Wort Tunnel zwischen Haut und Fingernagel meines Zeigefingers. Die Zahnärztin durfte dann nicht nur meine Zähne, sondern auch meinen Finger verarzten… Es hatte nämlich richtig ordentlich geblutet. Von dem Schmerz reden wir mal lieber nicht. Somit wichtige Empfehlung: Das Buch nur OHNE Schutzumschlag in der Tasche mitnehmen….

Meine Meinung

Zunächst möchte ich sagen, dass ich den Schreibstil als sehr intensiv empfand. Die Autorin schafft es mit ihren Ausschnitten der einzelnen Personen ein sehr intensives Bild der Menschen aufzuzeigen. Nach und nach erhält man mehr und mehr Einblick in die Denkweisen und Gefühlswelten der Protagonisten. Trotz recht weniger Worte bekommen die Figuren eine sehr heftige Tiefe. Und genau das faszinierte mich am allermeisten an diesem Buch.

Die Geschichte um Mascha gibt einen Einblick in das Gefühl arm zu sein. Und dazu ergibt sich ein Einblick in die Endstation des Lebens: dem Pflegeheim. Man trifft auf Menschen in ihrer letzten Lebensstation und erfährt von vergessenen Erinnerungen, Wünsche des Zurückreisens und allein gelassen worden sein von der Familie und dem Wunsch nach Gesellschaft und Nähe.

Mascha hat einen „Tröster“ – ihr Freund. Selbst auch eine gescheiterte Existenz, der keine feste Bleibe hat. Sein Zusammentreffen mit einer Bewohnerin und wie sie sich gemeinsam Zeit schenken, zeigt deutlich wie allein Menschen sein können. Dass Tinka die Armut so annimmt und durch den Rückzug ihrer Mutter leidet, schmerzt den Leser fast körperlich. Die Flucht von Mascha lässt einen allerdings etwas Kopfschütteln. Allerdings ist das sich selbst spüren wollen und etwas wirklich unter Kontrolle haben, in solch einer Situation, bei der man völlig ausgeliefert ist (Arbeitgeber, Amt, Armut und der Verantwortung) durchaus nachvollziehbar.

Besonders nachfühlen konnte ich den Bewohner Tomsonov, der seine Erinnerungen verliert und nicht mehr greifen kann und den eine Sehnsucht in die Vergangenheit zieht. Da ich meine demente Oma pflegte, kann ich es nur zu gut, nachempfinden.

Das geheime Tunnelprojekt ist mir als logischer Mensch dennoch nicht wirklich nachvollziehbar. Oder sagen wir es lieber so: Ich kann es rein logisch nachvollziehen, wie es dazu kam. Allerdings bin ich zu sehr Realist, um das Handeln zu verstehen.

Die Geschichte selbst zeigt viele Seiten der Gesellschaft, die wahrlich nicht schön sind. Ein ans ich sehr traurig Buch. Auch wenn es kleinste Lichtblicke gab, fangen diese die depressive Grundstimmung nicht wirklich auf. Das Buch lässt nachdenklich zurück.

Und doch mag ich das Buch. Vor allem der Schreibstil und die Intensität der Figuren haben mich in den Bann gezogen. Die Geschichte an sich wurde für mich nebensächlich, da mich die Charaktere so interessierten und sie wirklich „echt“ vor meinem inneren Auge wurden. Einfach die Figuren ein Stück weit zu begleiten war ein interessantes Leseerlebnis.

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Autor

42 Jahre, verheiratet, Zwillingsmama, Hannoveranerin und begeisterte Leseratte.

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