Wir waren die Zukunft – Leben im Kibbuz – Yael Neeman
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Der Kibbuz war einst das Herzstück eines utopischen Traums – in mancher Hinsicht Israels eigene Version eines sozialistischen Versuchs mit hoffnungsvollem Aufstieg und tiefem Fall. Yael Neeman blickt zurück auf die versunkene Welt ihrer Kindheit im Kibbuz Yehiam im Norden Israels – gegründet 1946 von ihren ungarischen Eltern nach der Shoah. Neeman erzählt von einer Kindergeneration, die kollektiv und getrennt von ihren Eltern aufwuchs – im Zeichen einer radikalen Ideologie von Gleichheit und Gerechtigkeit. Lagerfeuer im Speisesaal, vom Pinienharz klebrige Hände, selbstgebaute Flöße auf dem Wasserreservoir – aber auch: Einheitskleidung, vorgeschriebene Lektüren, unterdrückte Sehnsucht und der alles erfassende Druck, eine „neue Welt“ zu bauen.

Anfangs hatte ich Schwierigkeiten mich in das Buch hinein zu lesen. Da ich bislang wenig Wissen über die Kibbuz Bewegung hatte und daher keinerlei Schimmer von Nichts als ich das Buch zu lesen anfing, war mir Vieles erstmal fremd. Die geschichtliche Einordnung, die Entstehung, die Zusammenhänge – von all dem wusste ich nichts, doch dann fand ich hinein und konnte das Buch nicht mehr weglegen. Man kann sich manches kaum vorstellen, wie es ist, wenn Kinder und Familien keinerlei echtes Bündnis mehr zueinander haben. Sie sehen sich, wie ein Pflichttermin, doch die Liebe, der Wunsch zusammen zu sein, wo blieb der? Wahrlich abtrainiert? Die Sinnkrise als Teenager ist mehr als spürbar, die Haltlosigkeit, der Traum, der Elterngeneration, dem die Kinder wegliefen. Warum bleiben, wenn keine Bindung vorhanden war? Wie festigt man den Traum, in dem man geboren wurde, es aber nicht träumte?
Ein Buch, das fasziniert und den Horizont des Lesers erweitert. Eine Beschreibung eines erlebten Sozialexperiments, das die besten Absichten hatte und am Generationswechsel scheiterte.

